Technologietrends in der minimalinvasiven Chirurgie

Wie wichtige Meinungsführer diese Trends aus klinischer Sicht bewerten

Aufgrund des rasanten technologischen Fortschritts in Bereichen wie der Robotik und Digitalisierung befindet sich die Medizintechnik in großem Wandel. Dieser Wandel bietet eine Vielzahl neuer Möglichkeiten, aber auch neue Herausforderungen. Innovationen haben bereits in einer Vielzahl von Bereichen Standardverfahren ersetzt und zu minimalinvasiven Eingriffen geführt, die früher undenkbar waren.

In diesem Artikel betrachten wir gemeinsam mit Experten die Trends, Chancen und Herausforderungen in der minimalinvasiven Chirurgie genauer. Wir haben vier wichtige Meinungsführer aus dem Bereich der Bauchchirurgie interviewt und sie um ihre Einschätzung der medizintechnischen Trends gebeten.

Die befragten klinischen Experten:

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Prof. Dr. Daniel Perez

Geschäftsführender Oberarzt am UKE Hamburg.

Prof. Perez, Facharzt für Viszeralchirurgie inkl. spezielle Viszeralchirurgie, Proktologie und Thoraxchirurgie, ist in leitender Funktion in der Viszeral- und Thoraxchirurgie im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf tätig. In den vergangenen 10 Jahren konnte er maßgeblich zur Weiterentwicklung minimalinvasiver und roboterassistierter Operationstechniken in Zusammenarbeit mit Firmen wie Intuitive Surgical, Google und Johnson & Johnson (Verb Surgical) beitragen.

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Prof. Dr. Stefan Thorban

Konsiliaroberarzt am Klinikum rechts der Isar München.

Prof. Thorban ist Oberarzt und Leiter der Pankreas- Nierentransplantation in der chirurgischen Klinik und Poliklinik im Klinikum rechts der Isar der TU München. Vor seiner chirurgischen Tätigkeit arbeitete er in der Pathologie, verfügt über jahrzehntelange Erfahrung in der Transplantation von Niere, Leber und Bauchspeicheldrüse und war bis 2018 chirurgischer Leiter des Transplantationszentrums.

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Prof. Dr. Dr. h.c. Konrad Karcz

Oberarzt am LMU-Klinikum München.

Prof. Karcz, allgemeiner, onkologischer, metabolischer, minimalinvasiver und Roboter geschulter Chirurg, leitet die Sektion für minimalinvasive Chirurgie am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er ist Mitglied in zahlreichen internationalen Organisationen wie EAES (European Endoscopic Surgery Association) oder der International Medical Robotics Association.

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Prof. Dr. Dirk Wilhelm

Prof. Dr. Dirk Wilhelm, Oberarzt am Klinikum rechts der Isar, TU München.

Prof. Wilhelm ist Oberarzt an der chirurgischen Klinik, Klinikum rechts der Isar und hier Leiter der Kolorektalen und Robotischen-Chirurgie.
Prof. Dr. med Dirk Wilhelm ist der Vorsitzende der CTAC der DGCH und leitet am Klinikum rechts der Isar die Forschungsgruppe MITI und das Zentrum für Robotik und Maschinelle Intelligenz (MRMI).
Sein wissenschaftlicher Schwerpunkt liegt im Bereich der minimal-invasiven und robotergestützten Chirurgie, der Telemedizin, der Natural Orifice Transluminal Endoscopic Surgery und der CAS.

Der größte technologische Einfluss der minimalinvasiven Chirurgie


Wir haben unsere Experten gefragt, welche Technologie in den letzten Jahren den größten Einfluss auf die minimalinvasive Chirurgie hatte. Alle vier waren sich einig: Die Einführung von Robotersystemen hat die größte Veränderung bewirkt. Zunächst wurde die Robotik vor allem in der Urologie und Neurochirurgie eingesetzt, aber auch in der Bauchchirurgie setzt sie sich zunehmend durch. „Die Einführung der Robotik hat die Anzahl der intraoperativen Traumata bei laparoskopischen Eingriffen deutlich reduziert“, erklärt Prof. Perez. Dieser positive Effekt kann auch zu kürzeren Krankenhausaufenthalten führen und die Kosten pro Patient senken.

Weitere Meilensteine, die unsere Experten nannten, sind eine verbesserte Kameraführung und Optik für laparoskopische Eingriffe sowie die 3D-Rekonstruktion von CT-Daten für die Operationsplanung. Prof. Karcz ergänzt: „Die Fluoreszenzspektroskopie liefert präzisere Informationen über die Durchblutung von Organen und Geweben, was für den Heilungsprozess von großer Bedeutung ist und uns somit erlaubt, mögliche Komplikationen besser vorherzusagen“.

OP der Zukunft digital und robotisch?

MedTech Talks mit Prof. Dirk Wilhelm

Aspekte der Usability, denen Hersteller mehr Aufmerksamkeit schenken sollten


Die Benutzerfreundlichkeit ist in der Medizintechnik von zentraler Bedeutung und beeinflusst den Einsatz der Innovation in der Praxis. „Wenn eine Technologie nicht benutzerfreundlich ist, erhöht sie das Risiko von Fehlern und die Ärzte werden zögern, sie einzusetzen“, erklärt Prof. Perez. Prof. Thorban fügt hinzu, dass die Kompatibilität zwischen den einzelnen Geräten deutlich verbessert werden sollte, damit die Anwendung einfacher wird. Der Fokus sollte auf den wesentlichen Funktionen der Technologie liegen, statt sie unnötig komplex zugestalten. Je benutzerfreundlicher die Technologie ist, desto eher werden sich die Ärzte sicher fühlen und sie in der Praxis einsetzen.

„Robotersysteme bringen erhebliche Vorteile, sollten aber nicht ohne Fachwissen eingesetzt werden“, warnt Prof. Thorban. Kontinuierliche Schulungen der Endanwender durch die Hersteller sollen die entsprechende Expertise für den Einsatz der komplexen Geräte aufbauen. Prof. Karcz fügt hinzu, dass den Endanwendern bereits in der Entwicklungsphase mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte. Dies würde die Nutzbarkeit der Medizintechnik erhöhen, da das Produkt auf Basis des Feedbacks der Ärzte modifiziert werden kann.

Die Zukunft der Chirurgie mit KI und Robotik

MedTech Talks mit Prof. Konrad Karcz

Der Einsatz von Robotik in den nächsten 5-10 Jahren


Unsere Experten sagen voraus, dass der Einsatz von Robotik in den nächsten fünf bis zehn Jahren deutlich zunehmen wird. Verbesserungen von algorithmusbasierten chirurgischen Assistenzsystemen, Instrumentenverfolgung und Augmented Reality werden die Robotik auf die nächste Entwicklungsstufe bringen. Dies wird die Arbeit erleichtern und die Risiken weiter reduzieren. Außerdem werden die Preise für die Technologie sinken, was zu einem verstärkten Einsatz der Geräte in der Praxis führen würde. „In einigen Jahrzehnten könnten die technischen Einheiten noch weiter miniaturisiert werden, das heißt, kleinere Roboter könnten Teile des Operationssaals übernehmen“, erklärt Prof. Karcz. Er fügt hinzu, dass sie auch präoperativ eingesetzt werden könnten, zum Beispiel zur Reinigung des Verdauungstraktes.

Wir haben Prof. Karcz und Prof. Wilhelm folgende Frage gestellt: Ist die erste vollautonome Blinddarmoperation im Jahr 2025 möglich? Die Appendektomie ist eine häufige Notoperation, die gut standardisiert ist und sich daher für ein Robotersystem eignen würde. Beide Experten glauben, dass dies im Jahr 2025 technisch möglich sein wird. „Autonome Kamerasysteme funktionieren im Labor bereits sehr gut“, sagt Prof. Wilhelm. Prof. Karcz fügt hinzu, dass in fünf Jahren eine vollständig autonome Blinddarmoperation möglich sein wird, die aber im Labor an Modellen oder Tieren durchgeführt werden wird. „Das Haupthindernis, das es zu überwinden gilt, um diese Operation durchzuführen, wird nicht technischer Natur sein, sondern rechtlicher und ethischer Natur“, so Prof. Wilhelm.

Die Ethik eines Roboters als Chirurg


Einige der Fragen, die sich stellen, wenn es um Robotik in der Medizin geht, sind rechtlicher und ethischer Natur. Wer ist verantwortlich, wenn der Roboter einen Fehler macht? Und fühlen wir uns wohl, wenn wir von einem Roboter statt von einem Menschen behandelt werden? Sowohl Prof. Perez als auch Prof. Wilhelm vergleichen autonome Operationen mit dem autonomen Fahren. Der Unterschied liegt nicht in der Technik, sondern in der Umgebung und dem Umfeld, in dem das Robotersystem arbeitet.

„Für ein Auto gibt es klare Straßen, genaue Verkehrsregeln und das Auto selbst hat eine gewisse Stabilität, auf die ich mich verlassen kann“, erklärt Prof. Wilhelm. „Im Gesundheitswesen ist das nur bedingt der Fall. Es gibt eine hohe Heterogenität, die einzelnen Patienten können unterschiedlich reagieren. Da ist die Intuition eines Arztes gefragt und nicht ein Roboter, der nur einem vorgegebenen Regelwerk folgt“. Wenn der Patient wie erwartet reagiert, kann der Roboter die Aufgabe perfekt ausführen, aber ein Roboter hat nicht die Intuition, die ein menschlicher Arzt hat, wenn etwas Unerwartetes passiert.

Der Fortschritt dieser technologischen Trends wie Robotersysteme bei minimalinvasiven Operationen wird nicht nur von den technischen Möglichkeiten abhängen, sondern auch stark von der ethischen Seite sowie der Benutzerfreundlichkeit der Geräte beeinflusst werden.